Für den heutigen Beitrag greifen wir einen Artikel der Diplom-Dolmetscherin & Übersetzerin Verena Laouari aus Nordrhein-Westfalen auf, die sich mit dem Unterschied zwischen festgelegter und tatsächlicher Bezahlung von Dolmetschern beschäftigt, die für Gerichte tätig sind. Man mag auf den ersten Blick meinen, dass Theorie und Praxis hier in einem fairen Rahmen zueinander finden. Aber weit gefehlt.

Verena Laouari beschreibt in ihrem Beitrag die Ausgangslage folgendermaßen:

Dolmetscher, die bei Gericht arbeiten und direkt beauftragt werden, werden prinzipiell nach dem JVEG, dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz bezahlt. Ab dem 1.1.2021 liegt der Stundensatz hier bei 85,00 Euro. Vorher waren es 70,00 Euro oder 75 Euro, abhängig davon, ob konsekutiv oder simultan gedolmetscht wurde.

Stundensätze für Dolmetscher und Übersetzer bei Gericht: Theorie und Praxis

Anschließend widmet sich die Autorin der Darstellung, wie die Beauftragung und vor allem die Bezahlung in der Praxis tatsächlich gehandhabt werden und kommt zu folgendem Ergebnis:

In der Praxis bekommen nicht alle Dolmetscher, die bei Gericht dolmetschen, den JVEG-Satz. Die Voraussetzung dafür ist nämlich, dass das Gericht den Dolmetscher direkt beauftragt, also keine Agentur zwischengeschaltet ist. In der Praxis wenden sich die Mitarbeiter der Geschäftsstellen, die einen Dolmetscher suchen müssen, häufig an Agenturen, mit denen sie manchmal schon Jahrzehnte zusammenarbeiten.
Für den Dolmetscher bedeutet das dann, dass er von der Agentur kontaktiert wird und mit ihr das Gehalt verhandelt. Da die Agentur für die Vermittlung natürlich einen Teil vom Kuchen abhaben möchte, bekommt man als Dolmetscher hier keine 85 Euro pro Stunde. Wie viel die Agentur abgibt, ist sehr unterschiedlich. Als „vertretbar“ wird oft eine Aufteilung von 30% zu 70% des Stundensatzes angegeben. Am Ende muss jeder Dolmetscher selbst entscheiden, für welchen Stundensatz er zum Gericht fährt und für welchen nicht. Viele etablierte Kollegen beschließen irgendwann, nur noch Aufträge vom Gericht anzunehmen, wenn sie direkt beauftragt werden.

Faire Bezahlung für Dolmetscher am Gericht – wie könnte es funktionieren?

Ausgehend von der Analyse beschäftigt sich Verena Laouari mit der Frage, wie man aus diesem Kreislauf ausbrechen kann. Sie kommt zu dem Schluss, dass dies nur mittels Direktbeauftragung seitens der Gerichte beziehungsweise durch die Mitarbeiter der Geschäftsstellen möglich ist. Deren Ziel ist es meist, nicht lange suchen oder telefonieren zu müssen, um eine Fachkraft beauftragen zu können. Nur so erklärt sich überhaupt der Erfolg von Agenturen, selbst wenn diese oft nicht einmal qualifizierte Übersetzer und Dolmetscher vermitteln.

Wie kann eine Direktbeauftragung von Dolmetschern für Gerichte ablaufen?

Für eine direkte Bauftragung empfiehlt Verena Laouari ihren Lesern folgende Optionen:

  • sich allgemein vereidigen lassen, um dadurch auf der Liste der allgemein vereidigten Dolmetscher aufzutauchen mittels derer nach wie vor auch Dolmetscher durch Gerichte beauftragt werden
  • Mitarbeiter der Geschäftsstellen der Gerichte, die im eigenen Umkreis liegen, direkt kontaktieren und die eigenen Dienste anbieten
  • sich in die Regionalisten des Bundesverbandes der Dolmetscher und Übersetzer e.V. (BDÜ) eintragen lassen, um bei einer Recherche durch der Gerichte auf Basis jener Liste präsent zu sein

QuatroLingo – direkte Beauftragung und faire Bezahlungen für Dolmetscher und Übersetzer

Als weitere Möglichkeit für eine direkte Beauftragung weist Verena Laouari ihre Leser auf QuatroLingo hin und schreibt dazu Folgendes:

Das Team von QuatroLingo hat eine App entwickelt, mit der Gerichte und Dolmetscher auf einfache Weise miteinander in Kontakt kommen können. Das Projekt, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird, gibt es seit September 2021. Bisher haben sich nach eigenen Angaben mehr als 1000 Dolmetscher und Übersetzer angemeldet. Das Team von QuatroLingo arbeitet daran, die Gerichte und Behörden in ganz Deutschland über die Möglichkeiten der Direktbeauftragung zu informieren. Auch ich habe mich vor eine Weile angemeldet und bin gespannt, wie sich das Projekt entwickelt. Aktuell ist die App sogar noch kostenfrei. Später soll es eine Jahresgebühr für alle angemeldeten Dolmetscher geben, die die App nutzen, um von den Gerichten direkt Aufträge zu bekommen.

Ergänzt sei von uns noch, dass die QuatroLingo-App ausschließlich durch Dolmetscher, Übersetzer und Sprachlehrer genutzt werden kann. Jeder Auftraggeber, also auch Gerichte, Behörden und deren Mitarbeiter, können QuatroLingo direkt im Browser nutzen und brauchen keine App herunterladen.

Die Bezahlung von Dolmetschern und Übersetzern bei Gericht erfolgt bei direkter Beauftragung gänzlich in Höhe der im JVEG festgelegten Stundensätze. Auch bei QuatroLingo, da weder in der App noch bei der Suche im Browser Vermittlungsgebühren erhoben oder von den gesetzlich festgelegten Stundensätzen abgezogen werden.

Qualitätssteigerung von Dolmetsch- und Übersetzungsarbeiten an Gerichten

Direktbeauftragung durch die Gerichte steigert aber auch die Qualität der Übersetzungs- und Dolmetscharbeiten selbst, da immer weniger qualifizierte Sprachmittler mit Agenturen zusammenarbeiten, was direkt auf die unfaire Aufteilung der Stundensätze seitens der Agenturen zurückzuführen ist.
Oder anders formuliert: Wenn Gerichte weiterhin über Agenturen Sprachmittler buchen, dann wird in Zukunft die Qualität der vermittelten Arbeit weiter sinken, weil immer weniger qualifizierte Dolmetscher und Übersetzer über Agenturen vermittelt werden können. Einerseits, weil diese die Anfragen, die über Agenturen gestellt werden, auch ablehnen können. Andererseits, weil der Pool an guten Übersetzern und Dolmetschern, auf den Agenturen zugreifen können, aus den beschriebenen Gründen, kleiner wird.

Fazit: Die Direktbeauftragung von Sprachmittlern bringt Gerichten eine Qualitätssteigerung der Sprachmittlung und mehr Rechtssicherheit. Dolmetscher und Übersetzer führt eine Direktbeauftragung hingegen zu einer fairen Bezahlung nach JVEG.

Dank und Ausblick

Wir danken Verena Laouari an dieser Stelle herzlich für ihren Beitrag, den wir mit ihrer Genehmigung für unseren Blog verwenden durften, und freuen uns, dass sie ihre Einschätzung und ihre Erfahrungen – auch mit QuatroLingo – geteilt hat.

Verwiesen sei auch auf die Website von Verena Laouari und ebenso auch die anderen Blog-Beiträge von Verena Laouari auf ihren Websites, die sich alle mit dem dynamischen Feld der Übersetzungs- und Dolmetscherarbeit beschäftigen.

Hier gibt es den originalen Beitrag von Verena Laouari zum Nachlesen.