Die E-Akte – das Mammutprojekt der deutschen Justiz

Wer sie dieser Tage gezielt sucht, der findet sie: die zahlreichen und regelmäßig erscheinenden Meldungen der deutschen Justiz zur Einführung der E-Akte. Teils in positiv motiviertem Unterton verfasst, teils eher im Stil einer Pflichterfüllung geschrieben. Aber im Kern handelt es sich hier ja auch um die Erfüllung einer Auflage, die der deutsche Gesetzgeber beschlossen hat. Worum es bei der E-Akte geht, was selbige bewirken und in welchem zeitlichen Rahmen der komplexe Transformationsprozess ablaufen soll – all das stellen wir im heutigen QuatroLingo-Blog-Beitrag vor.

Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs hieß es bereits 2016 im Abschnitt „Lösung“ wie folgt:

„Für die elektronische Aktenführung im Strafverfahren soll eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Bis zum 31. Dezember 2025 soll die elektronische Aktenführung dabei lediglich eine Option darstellen. Ab dem 1. Januar 2026 sollen neu anzulegende Akten dann nur noch elektronisch zu führen sein. Damit soll die flächendeckende, verbindliche Einführung der elektronischen Aktenführung im Bereich der Strafjustiz bereits jetzt gesetzlich vorgegeben werden. Die verbindliche Einführung in den übrigen Verfahrensordnungen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Fachgerichtsbarkeiten, in denen bereits jetzt eine optionale elektronische Aktenführung möglich ist, soll gesonderten Gesetzgebungsvorhaben vorbehalten bleiben.“ (1).

Die E-Akte – wer muss sie einführen?

Für die Rechtsanwaltschaft in Deutschland ist die aktive Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr in bestimmten Fällen bereits seit diesem Jahr verpflichtend. Darüber hinaus steht im Gesetzentwurf, dass „die Einführung der elektronischen Aktenführung in Strafsachen (…) ganz überwiegend Strafgerichte und Staatsanwaltschaften sowie sonstige Strafverfolgungsbehörden (Polizeien des Bundes und der Länder, Zoll, Steuerfahndung)“ betrifft und auch Bundesgerichtshöfe und die Bundespolizei nicht von ihr ausgenommen sind (2).

Die Materna-Studie zur E-Akte

Eine umfassende Anordnung, die im Jahr 2016 auf den Weg gebracht und am 5. Juli 2017 beschlossen wurde (3). Doch wie sieht der Status quo in Sachen E-Akte aus und wie steht es um die Grundstimmung im Hinblick auf die Modernisierung? Das Umfrageinstitut Materna hat hierzu bereits im Januar 2021 eine Studie veröffentlicht, bei der der Lehrstuhl für Politik- und Verwaltungswissenschaft der Universität Duisburg-Essen Kooperationspartner war. Darüber hinaus unterstützte der Deutsche Richterbund (DRB) das Vorhaben.

Zentrales Ergebnis der damaligen Studie: „Die Befragten sehen im Ausbau der E-Akte die Zukunft und bescheinigen einen hohen Nutzwert bei der elektronischen Aktenführung, sehen jedoch noch Verbesserungspotenzial insbesondere bei der Integration.“ (4).

Die Studie lieferte hierfür auch beeindruckende Zahlen, denn der Aussage, dass die E-Akte die Zukunft sei, stimmten – je nach Befragtengruppe – zwischen 71 und 81 Prozent zu. Darüber hinaus bewertete jeder zweite Anwender in den Pilot-Gerichten den Nutzen der E-Akte als hoch oder eher hoch. Diese Bewertung ist bei Servicekräften jedoch stärker ausgeprägt als bei Richtern. Genau die letztgenannte Gruppe der Richter stellt somit ein Problem dar, denn mehr als jeder zweite Richter stufte laut der Studie seinen allgemeinen Wissensstand als sehr gering oder eher gering ein. Dort gibt es also offenbar Nachholbedarf (5).

Die Studie merkt außerdem an, dass sich im Hinblick auf die E-Akte nicht alle Erwartungen erfüllt haben. Die Ergebnisse offenbaren in diesem Zusammenhang, dass Anwender beklagen, dass beispielsweise beim Durchsuchen und bei der Durchdringung der E-Akte, das heißt, wie sich die Inhalte elektronischer Akten technisch erschließen lassen, die Erwartungen nicht oder nur teilweise erfüllten (6).

Heruntergeladen werden kann die vollständige Studie von Materna nach Angabe der eigenen Kontaktdaten unter folgendem Link: https://www.materna.de/Microsite/Public-Sector/DE/Maerkte-Branchen/Justiz/2020-eakte-justiz/2020-eakte-justiz_node.html

E-Akte ist nicht nur E-Akte

Deutschlandweit wird in den Justizbehörden übrigens nicht nur eine Form der E-Akte, sondern drei verschiedene Anwendungen und Verfahren eingesetzt, die mit der E-Akte arbeiten bzw. Software-Lösungen, mit deren Hilfe E-Akten geführt und bearbeitet werden können.

Zu nennen ist hierbei die „ergonomische elektronische Akte“ (e²A), die „E-Akte als Service“ (eAS) und das „elektronische Integrationsportal“ (eIP). Alle drei E-Aktensysteme werden aktuell in Pilotprojekten an deutschen Gerichten angewendet (7).

Darüber hinaus gehen mit der Einführung der E-Akte aber auch andere Neuerungen einher, die über den Bereich der Software hinausgehen. Denn dort, wo die E-Akte etabliert wird müssen oft auch die räumlichen Gegebenheiten auf die neuen Bedürfnisse angepasst und Büros und Sitzungssäle mit entsprechender Technik ausgestattet werden, damit Konferenzschaltungen möglich werden und entsprechend dokumentiert werden können. All diese Neuerungen werden unter dem Begriff eJustice-Arbeitsplatz zusammengefasst.

Chancen und Risiken der E-Akte

Das große Ziel der E-Akte ist klar: den historisch gewachsenen Papierstau in den Organen der Justiz zu reduzieren und so unheimlich viel Geld und Ressourcen einzusparen. Darüber hinaus wird der Zugriff und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Bearbeitern durch das digitale Format der E-Akte deutlich optimiert, Bearbeitungszeiten verkürzt, die Arbeit effizienter, Homeoffice erleichtert und einmal mehr der Zugang zum Recht für die gesamte Bevölkerung verbessert. Allesamt zeitlose und erstrebenswerte Ziele, die auch in unserem letzten Beitrag zum Thema Legal Tech bereits thematisiert wurden.

Ein Angebot wie das von QuatroLingo kann jedenfalls für sich beanspruchen, schon jetzt dort zu sein, wohin die deutsche Justiz nun per Gesetz gelenkt wird: in einer digitalisierten Realität. Eine Realität, in der Angebot und Nachfrage mittels direkter Beauftragung und bei fairer Bezahlung zusammenfinden. Sei es vor Ort oder virtuell in einem Sitzungsaal, der bald wohl nur noch eJustice-Arbeitsplatz heißen wird. Mehr zu QuatroLingo gibt es unter:

https://www.quatrolingo.com/was-ist-quatrolingo

Natürlich ist allen Beteiligten und Interessierten klar, dass die Einführung der E-Akte und aller mit ihr einhergehenden Neuerungen, Geld, Zeit und Personal benötigt und dass von allem immer zu wenig da ist. Die Forderung nach mehr Budget und Fachkräften ist daher eine Dauermeldung, die an dieser Stelle nur erwähnt werden soll. Denn der Ruf nach mehr Personal und Zeit sowie höheren Etats für die Digitalisierung der Justiz wird noch mindestens solang zu hören sein, bis die Modernisierung in großen Teilen abgeschlossen ist (8).

Erwähnt werden soll aber auch, dass Skeptiker der E-Akte befürchten, dass langfristig ein Stellenabbau im Justizwesen zu beklagen sei (9). Eine Sorge, die berechtigt sein könnte und der nur mit einer sozialverträglichen und langfristigen Strategie begegnet werden kann und sollte. Anderseits kann durch die Innovation der E-Akte aber auch Raum für neue und vielleicht sogar viel wichtigere Arbeiten entstehen. Arbeiten, die dem Personal im besten Fall sogar einen motivierenden Schub geben könnten. Das wäre dann sogar eine Perspektive der E-Akte, die nicht mal ein Bundestag beschließen kann. Wir sind auf jeden Fall wieder einmal gespannt und verkaufen die Kopierer und Drucker solange schonmal bei eBay Kleinanzeigen. Zumindest solange sie noch jemand braucht.

Quellenverzeichnis

(1) https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RegE_elektronische_Akte_in_Strafsachen.pdf, Seite 1

(2) ebd.

(3) https://dip.bundestag.de/vorgang/…/74015

(4) https://www.materna.de/Microsite/Monitor/DE/2021-01/Praxis-und-Erfahrung/justiz-studie/justiz-studie_node.html

(5) ebd.

(6) ebd.

(7) https://www.dgb.de/themen/++co++66aeb2b6-9a78-11ea-bc95-5254008f5c8c

(8) https://www.nw.de/nachrichten/zwischen_weser_und_rhein/23363000_NRW-Justizminister-fordert-mehr-Geld-fuer-Digitalisierung-der-Justiz.html

(9) https://www.dgb.de/themen/++co++66aeb2b6-9a78-11ea-bc95-5254008f5c8c